Steffen Mengel träumt bei den Tischtennis-Finals von Einzel-Titel Nummer 2
Das Wunder von Mühlhausen zählt nach seiner Rückkehr in die Spitze in Erfurt zu den Favoriten
Wenn vom 13. bis 16. Juni 2024 in der Messe Erfurt erstmals die Deutschen Tischtennis-Finals über die Bühne gehen, dann zählt ein Lokalmatador des Thüringer Tischtennis-Verbandes (TTTV) zu den Favoriten auf den prestigeträchtigen Titel. Elf Jahre nach seinem bislang einzigen Triumph in Bamberg greift Steffen Mengel noch einmal nach der Deutschen Meisterschaft im Herren-Einzel. Dass der 35-Jährige in Erfurt sogar mit guten Chancen seinen Hut in den Ring wirft, grenzt an ein kleines Wunder.
Sympathischer Modellathlet ohne Starallüren
Eines steht fest: Steffen Mengel wird in den Erfurter Messehallen das Publikum auf seiner Seite haben. Zum einen, weil der 195 Zentimeter hochgewachsene Modellathlet die Athletik des Tischtennissports mit seiner enormen Physis, seinem Kampfgeist und seiner Einsatzfreudigkeit wie kaum ein Zweiter verkörpert. Zum anderen, weil die Wahlheimat des zweifachen Familienvaters Steffen Mengel nur 50 Kilometer vom Austragungsort der Tischtennis-Finals entfernt liegt. Beim Bundesligisten Post SV Mühlhausen gehört der gebürtige Siegener seit der Saison 2018/2019 zu den Leistungsträgern und bei den Fans in Thüringen mit seiner bodenständigen, authentischen Art zu den Publikumslieblingen.
Siege über Timo Boll und Wang Hao spielten Mengel ins Rampenlicht
Steffen Mengel, der im Alter von 21 Jahren sein erstes Länderspiel bestritt, hat in seiner außerordentlichen Karriere schon vieles erreicht. Angesichts der vielen großen Namen in der deutschen Herren-Nationalmannschaft zählte der Topspinkünstler aber dennoch die meiste Zeit eher zur zweiten Garde. Sein Standing in der internationalen Tischtennis-Landschaft musste er sich hart erarbeiten. Seine Nominierungen für Titelkämpfe mit der deutschen Herren-Nationalmannschaft, mit der Steffen Mengel 2014 sowohl bei den Weltmeisterschaften in Tokio als auch bei den Europameisterschaften in Lissabon jeweils die Silbermedaille gewann, waren keine Selbstverständlichkeit. Zeitzeugen seiner Klasse wurden unter vielen anderen zwei Spieler, die zur Kategorie ‚Greatest of all Times‘ im internationalen Geschäft gehören: Bei den German Open 2014 in Magdeburg Ex-Weltmeister Wang Hao, der heutige Trainer der chinesischen Nationalmannschaft, den Mengel sensationell aus dem Titelrennen warf. 2013 war es im Endspiel der Deutschen Meisterschaften in Bamberg Superstar Timo Boll, der Mengels ganzes Potenzial unsanft zu spüren bekam.
Die Krankenakte Steffen Mengel
In der Bundesliga wurde Steffen Mengel in all den Jahren stets eine Konstante seiner Vereine, im sechsten Jahr nun bereits für den Post SV. In Mühlhausen hatte er auch in der Saison 2022/2023 brilliert, wettbewerbsübergreifend eine 25:9-Bilanz mit Siegen über die Stars Timo Boll, Lin Yun-Ju, Kristian Karlsson und Chuang Chih-Yuan eingefahren. Dann jedoch begann für den Athleten eine Odyssee. Ein Bandscheibenvorfall sorgte diesmal dafür, dass Mengel sein rechtes Bein nicht mehr belasten konnte. Ärzte und Therapeuten waren ratlos. Während eines leichten Trainings riss er sich ein zweites Mal in seiner Karriere den Meniskus im rechten Knie, nach der OP sollte eine Reha folgen. Aber Mengel flog auf den Rat eines Freundes nach Sri Lanka und ließ sich in einer Ayurveda-Klinik ganzheitlich behandeln. „Mir konnte zu dem Zeitpunkt niemand wirklich helfen, ich habe keinen Ausweg mehr gesehen“, sagt er.
Mit zwei internationalen Turniersiegen zurück in den Kreis der Besten
Die Behandlungen in Fernost fruchteten, Mengel setzte die Therapie in Deutschland fort, arbeitete sich Schritt für Schritt im Training an sein altes Level heran. Der Start in die neue Saison verlief zwar noch etwas holprig, dann sorgte Steffen Mengel im Herbst 2023 für seine unerwartete Rückkehr in den elitären Kreis der erweiterten Weltspitze. Mangels regelmäßiger Auftritte bis auf Position 302 abgerutscht, gewann Steffen Mengel hintereinander zwei sogenannte Feeder-Turniere der internationalen Turnierserie WTT und erreichte beim dritten Event in Folge ebenfalls das Halbfinale. Die Folge: Der Wahl-Thüringer wird seitdem wieder im Bereich um Position 60 in der Weltrangliste geführt.
Im portugiesischen Vila Nova de Gaia entzauberte er zunächst als Qualifikant Portugals komplette Nationalmannschaft plus Südkoreas WM-Dritten von 2019, An Jaehyun. Beim unmittelbar anknüpfenden Feeder in Düsseldorf besiegte Mengel bei seinem zweiten Titelgewinn den Argentinier Lorenzo, Yaroslov Zhmudenko (Ukraine), Alvaro Robles (Spanien) sowie mit Zhou Kai und Liu Dingshuo sogar zwei Chinesen. Erst ein Turnier später, im amerikanischen Corpus Christi, kam im Halbfinale nach 18 internationalen Einzelsiegen in Folge die Endstation.
Seine vorausgegangenen überraschenden Finaltriumphe feierte der 1,95-Meter-Mann verständlicherweise mit überaus emotionalem Jubel: „Mit den beiden Turniersiegen ist nach vielen Rückschlägen ein Lebenstraum in Erfüllung gegangen. Ich wollte unbedingt noch mal angreifen und habe im Training gemerkt, dass ich noch auf sehr hohem Niveau spielen und auch Top-Spieler schlagen kann.“ Steffen Mengel sagt nicht ohne Stolz: „Ich habe beide Turniere nicht glücklich, sondern verdient gewonnen. Das war schon eine Genugtuung. In Portugal habe ich nach dem Finale zehn Minuten auf dem Stuhl gesessen, es sind auch Tränen geflossen. Dass es mich so emotional gepackt hat, habe ich vorher noch nie erlebt.“
Mit Steffen Mengel ist auch in Erfurt wieder zu rechnen
Steffen Mengel besitzt jedoch eine Qualität, die selbst Spitzensportlern nicht immer gegeben ist. Mit dieser fand der Mann mit der langen Krankenakte schon im Jahr 2018 aus einem tiefen Tal heraus. Eine Falschdiagnose zwang ihn damals zu einer langen Pause. In den gleichen Zeitraum fiel die Nichtverlängerung der Verträge bei seinem Ausrüster, bei seinem damaligen Verein sowie und der nicht selbst bestimmte Abschied aus dem DTTB-Kader, der auch das Ende seiner Zeit als Sportsoldat und das Wegbrechen einer weiteren Einnahmequelle bedeutete. „Die Karriere zerplatzte damals wie eine Seifenblase. Da stand ich mit 30 da und hatte das Gefühl, dass mein Leben bei Null anfängt“, erinnert sich Mengel, der in dieser schwierigen Zeit zum thüringischen Bundesligisten Post SV Mühlhausen wechselte und sich zur Zusammenarbeit mit dem Schweizer Trainer Samir Mulabdic entschloss. Menge arbeitete mit seinem Privattrainer an der Beinarbeit sowie im taktischen und mentalen Bereich. „Als niemand mehr auf mich gesetzt hat, hat er an mich geglaubt. Durch Samir hab ich Tischtennis noch mal komplett neu kennengelernt“, sagt Mengel.
Sportlich wiedererstarkt, jagt Stehaufmännchen Steffen Mengel nun auch im gereiften Sportleralter von 35 Jahren weiter seinen Zielen nach, beispielsweise einem weiteren Aufstieg in der Weltrangliste: „Ich habe noch ein paar Träume. Viele fragen mich, warum ich überhaupt noch Turniere spiele. Doch bin ein Mensch, der immer seinen Zielen und Träumen gefolgt ist. Ich habe zwei Turniere gewonnen und dabei nicht einmal die Kosten für den Flug und die Unterkunft in Portugal einspielt. Doch wenn ich irgendwann einmal meine Karriere beende, möchte ich guten Gewissens sagen, dass ich alles für meine Ziele und meine Träume getan habe. Ich liebe diesen Sport einfach zu sehr.“
Zwei weitere seiner Wünsche könnten in dieser Saison in Thüringen in Erfüllung gehen. Der zweimalige Feeder-Sieger visiert mit seinem Verein Post SV Mühlhausen das Erreichen der Bundesliga-Endrunde ein: „Der Post SV ist ein guter Verein, die Team-Chemie stimmt. Ansonsten passt auch alles. Bei unseren Heimspielen vor 450 Fans herrscht die beste Stimmung in der Liga. Es macht einfach enorm Spaß, dort zu spielen. Wir wollen wieder in die Play-offs kommen.“
Ein weiterer, vor einem Jahr noch weit entfernter Traum, könnte am 16. Juni 2024, dem Tag der Endspiele bei den TT-Finals in Erfurt, nur 50 Kilometer von Mühlhausen entfernt in Erfüllung gehen: Der Gewinn seiner zweiten Deutschen Meisterschaft im Einzel!
Deutsche Tischtennis-Finals: Größtes Tischtennis-Fest in Europa
Die Premiere der Deutschen Tischtennis-Finals vom 13. bis 16. Juni findet in der Messe Erfurt statt. Highlight der Veranstaltung sind die Deutschen Meisterschaften der Damen und Herren. In die Veranstaltung integriert sind die nationalen Titelkämpfe der Jugend 15 und Jugend 19 sowie die Leistungsklassen mit den besten Spielerinnen und Spielern aus Kreis-, Bezirks- und Verbandsklassen.
Das Treffen der Tischtennis-Familie mit vielfältigem Rahmenprogramm und Party wird das größte Tischtennis-Fest in Europa, bei dem die Fans die Stars von heute und morgen erleben können. Über die verschiedenen Alters- und Leistungsklassen hinweg spielen Nachwuchsasse, ambitionierte Amateure und Profis Tür an Tür.
Tickets sind begehrt, aber noch verfügbar
Die TT-Finals finden in zwei Messehallen statt. Das Turnier startet am Donnerstag (13. Juni) mit der Klasse der Jugend 19 und endet am Sonntag (16. Juni) mit den Finalspielen der Jungen 15, der Leistungsklassen sowie der Topstars bei den Damen und Herren.